Stereophonie als Kulturtechnik
Ich bin mir gar nicht so sicher, ob das hier überhaupt jemand bestritten hat.
Eine (unbewusste) "Eigenleistung" des Hörers findet auf der Wahrnehmungsebene
sowohl beim "natürlichen" räumlichen Hören als auch beim Hören mit
Mehrkanal Verfahren statt (auch Stereophonie ist ein Mehrkanalverfahren).
Bestimmte Aspekte (Wahrnehmungsmöglichkeiten) des räumlichen Hörens in
"natürlicher Umgebung" können innerhalb der Stereophonie nicht übertragen
werden. Dazu zählt z.B. der Erhebungswinkel einer Schallquelle.
Es werden auch keine Kopf- und/oder gehörbezogenen Signale übertragen:
Die Gehörsignale werden bei gewöhnlicher "Lautsprecherstereophonie" vom
Hörer selbst gebildet. Das kann man sogar als Vorteil sehen, denn die
kopfbezogene Übertragungsfunktion ist keinesfalls völlig uniform zwischen
unterschiedlichen Individuen.
Bei allem "Verzicht" auf bestimmte Aspekte erhält der Hörer durch
Stereophonie eine gewisse Bewegungsfreiheit und er muss keinen Kopfhörer
tragen. Er kann sich dabei auch gemeinsam mit anderen im gleichen
virtuellen aber auch "wirklichen" Raum aufhalten.
Das ist der "Deal" der Sterophonie: Er beruht auf dem Verzicht auf bestimmte
Teilaspekte der Wahrnehmung bei gleichzeitiger Einfachheit und Robustheit
des Systems.
Entscheidend scheint mir hier weniger die Frage nach den "vermissten"
Aspekten gegenüber dem räumlichen Hören in natürlicher Umgebung zu sein,
sondern die Frage danach, ob die Auswertung der innerhalb der Stereophonie
übertragenen Intensitäts- und/oder auch Laufzeitinformation vom Hörer
gelernt werden muss.
Ich stehe dabei auf dem Standpunkt, dass die Stereophonie
Wahrnehmungsmechanismen nutzt, die der Summenlokalisation auch in
natürlicher Umgebung weitgehend entsprechen. Daher muss die Wahrnehmung einer
stereophonen Abbildung prinzipiell nicht erlernt werden.
Jetzt kommen wir zu den vermissten Aspekten:
Wenn wir mit einer Gruppe in einem gedachten Kletterwald unterwegs sind und
die Rufe aller Gruppenmitglieder realistisch vor uns / hinter uns / über uns
wahrnehmen wollen, dann ist Stereophonie nicht das geeignete Verfahren.
Stereophone Übertragung/Aufzeichnung deckt durch ihre Historie jedoch eher
Schallereignisse ab, die ohnehin bereits in einem kulturell stark normierten
Rahmen stattfanden:
Es ist doch primär das "Bühnenereignis", welches "naturgemäß"
(seiner Natur gemäß ) von Schauspielern, Sängern und Musikern auf
einer Bühne (einer ebenen und im Raum stabilen Plattform) aufgeführt
wurde und wird und daher vorwiegend "bühnentypisch lokalisierte"
Schallereignisse produziert.
Mit dieser Feststellung bliebe die Kirche nicht nur im Dorf, sondern
erstmal zur Beruhigung aller Gemüter sogar "auf der Bühne".
Der "Ruf eines Vogels" in einem Bühnenstück geht seit Jahrhunderten
mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Schauspieler oder einem Flötisten am
Rande der Bühne aus und nicht von einer Nachtigall, welche unter dem
Deckengewölbe des Theaters auf ihr Zeichen von der Regie wartet.
Reine Studioproduktionen wären demzufolge meist als "virtuelle
Bühnenereignisse" zu sehen und fielen damit nicht einmal aus dem
gewohnten Rahmen unserer Wahrnehmung:
Es ist nicht so wichtig ob wir "nachbearbeitetes" (akustisches)
Musikmaterial aus einer Konzertsaalaufführung vor uns haben oder eine
"reine Studioproduktion" (evt. auch mit elektronischen Instrumenten).
Stereophonie ist dem Wesen nach eine Kulturtechnik zur Reproduktion von
Ereignissen, die Ihrerseits auf erlernten Kulturtechniken beruhen.
Wer jedoch die virtuelle Realität von "neulich im Kletterwald" erfahren
möchte, oder den besonderen Reiz eines Hörspiels in Kunstkopf Stereophonie,
der benötigt dafür die jeweils geeignete Technik.
Grüße aus Reinheim
Zitat von krabat
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Ich bin mir gar nicht so sicher, ob das hier überhaupt jemand bestritten hat.
Eine (unbewusste) "Eigenleistung" des Hörers findet auf der Wahrnehmungsebene
sowohl beim "natürlichen" räumlichen Hören als auch beim Hören mit
Mehrkanal Verfahren statt (auch Stereophonie ist ein Mehrkanalverfahren).
Bestimmte Aspekte (Wahrnehmungsmöglichkeiten) des räumlichen Hörens in
"natürlicher Umgebung" können innerhalb der Stereophonie nicht übertragen
werden. Dazu zählt z.B. der Erhebungswinkel einer Schallquelle.
Es werden auch keine Kopf- und/oder gehörbezogenen Signale übertragen:
Die Gehörsignale werden bei gewöhnlicher "Lautsprecherstereophonie" vom
Hörer selbst gebildet. Das kann man sogar als Vorteil sehen, denn die
kopfbezogene Übertragungsfunktion ist keinesfalls völlig uniform zwischen
unterschiedlichen Individuen.
Bei allem "Verzicht" auf bestimmte Aspekte erhält der Hörer durch
Stereophonie eine gewisse Bewegungsfreiheit und er muss keinen Kopfhörer
tragen. Er kann sich dabei auch gemeinsam mit anderen im gleichen
virtuellen aber auch "wirklichen" Raum aufhalten.
Das ist der "Deal" der Sterophonie: Er beruht auf dem Verzicht auf bestimmte
Teilaspekte der Wahrnehmung bei gleichzeitiger Einfachheit und Robustheit
des Systems.
Entscheidend scheint mir hier weniger die Frage nach den "vermissten"
Aspekten gegenüber dem räumlichen Hören in natürlicher Umgebung zu sein,
sondern die Frage danach, ob die Auswertung der innerhalb der Stereophonie
übertragenen Intensitäts- und/oder auch Laufzeitinformation vom Hörer
gelernt werden muss.
Ich stehe dabei auf dem Standpunkt, dass die Stereophonie
Wahrnehmungsmechanismen nutzt, die der Summenlokalisation auch in
natürlicher Umgebung weitgehend entsprechen. Daher muss die Wahrnehmung einer
stereophonen Abbildung prinzipiell nicht erlernt werden.
Jetzt kommen wir zu den vermissten Aspekten:
Wenn wir mit einer Gruppe in einem gedachten Kletterwald unterwegs sind und
die Rufe aller Gruppenmitglieder realistisch vor uns / hinter uns / über uns
wahrnehmen wollen, dann ist Stereophonie nicht das geeignete Verfahren.
Stereophone Übertragung/Aufzeichnung deckt durch ihre Historie jedoch eher
Schallereignisse ab, die ohnehin bereits in einem kulturell stark normierten
Rahmen stattfanden:
Es ist doch primär das "Bühnenereignis", welches "naturgemäß"
(seiner Natur gemäß ) von Schauspielern, Sängern und Musikern auf
einer Bühne (einer ebenen und im Raum stabilen Plattform) aufgeführt
wurde und wird und daher vorwiegend "bühnentypisch lokalisierte"
Schallereignisse produziert.
Mit dieser Feststellung bliebe die Kirche nicht nur im Dorf, sondern
erstmal zur Beruhigung aller Gemüter sogar "auf der Bühne".
Der "Ruf eines Vogels" in einem Bühnenstück geht seit Jahrhunderten
mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Schauspieler oder einem Flötisten am
Rande der Bühne aus und nicht von einer Nachtigall, welche unter dem
Deckengewölbe des Theaters auf ihr Zeichen von der Regie wartet.
Reine Studioproduktionen wären demzufolge meist als "virtuelle
Bühnenereignisse" zu sehen und fielen damit nicht einmal aus dem
gewohnten Rahmen unserer Wahrnehmung:
Es ist nicht so wichtig ob wir "nachbearbeitetes" (akustisches)
Musikmaterial aus einer Konzertsaalaufführung vor uns haben oder eine
"reine Studioproduktion" (evt. auch mit elektronischen Instrumenten).
Stereophonie ist dem Wesen nach eine Kulturtechnik zur Reproduktion von
Ereignissen, die Ihrerseits auf erlernten Kulturtechniken beruhen.
Wer jedoch die virtuelle Realität von "neulich im Kletterwald" erfahren
möchte, oder den besonderen Reiz eines Hörspiels in Kunstkopf Stereophonie,
der benötigt dafür die jeweils geeignete Technik.
Grüße aus Reinheim
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