Projektvorstellung Limbo

[pulsar99]

...oder die Frage: how low can you go?

Hallo,

ich möchte euch hier mein neues Projekt vorstellen. Die Idee: ich wollte einfach mal was mit dem M10 machen. Dem günstigen Konus-Mitteltöner mit geschlossenem Korb eilt ja (wie seinen Artgenossen) der Ruf voraus: geht nicht! Ich wollte es jetzt wissen: was geht, und wie geht es?

Die passenden Spielpartner waren schnell gefunden: der Konus-Hochtöner TW 6 NG passt auch von der Korbform prima zum M10. Und auch im Tieftonbereich sollte unbeschichtetes Papier zum Einsatz kommen: der W 200 komplettiert eine Chassisauswahl, welche ganz klar am Low End in Visaton's Hifi-Programm angesiedelt ist. Daher auch -augenzwinkernd- der Name.

So klassisch die Chassisauswahl, so klassisch das Gehäuse: eine gut 35 Liter fassende geschlossene Box mit den Abmessungen 34x50x30cm wäre vor 25 Jahren beinahe noch als Kompaktbox durchgegangen. Die Seitenteile sowie die Rückwand bestehen aus 19mm Spanplatte (Zuschnittmaß je 30x50cm), Front (30x50cm), Deckel und Boden (je 30x26.5cm) sind aus 16mm Spanplatte. Aufdopplungen aus 3mm HDF an Front (34x51cm) und Deckel/Boden (je 34x30cm) verdecken auf einfache Weise die offenen Schnittkanten. Dämpfung erfolgte mit je 2 ½ Beuteln Visaton Dämpfungsmaterial pro Box.



Bei der Weichenentwicklung habe ich erst eine 'Machbarkeitsstudie' mit Boxsim erstellt und mich dann auf eigene Messungen gestützt. Dabei zeigten die Chassis eine sehr gute Paargleichheit und recht gute Übereinstimmung mit den Boxsim-Dateien.

Bei der Filterdimensionierung habe ich mich zuerst um den Mitteltöner gekümmert, hier hatte ich von vornherein eine 24dB-Bandpassschaltung vorgesehen. Bei den Bauteilwerten kam mir dann die Universal-Frequenzweiche HW 3/120 NG in den Sinn: nicht nur, dass diese eben jenen Bandpass im Mitteltonzweig hat, auch die Bauteilwerte passten weitgehend, nur leider genau zwischen Serien- und Parallelgliedern vertauscht. Als ich günstig an ein Paar HW 3/120 NG kommen konnte, hab ich mich dann entschieden, konsequent auch die Fertigweiche für dieses Projekt zu nutzen.
Wie gesagt müssen die C's und L's im Mitteltonzweig genau vertauscht werden, lediglich der 4,7µF Kondensator erwies sich dann als zu klein. Hier der gemessene Frequenzgang ohne und mit Filter:



Im Tieftonsektor war die vorhandene Spule für die angestrebte Trennfrequenz zu klein. Neue Spule kam für mich aber nicht in Betracht, also hab ich mir mit einem Trick geholfen und eine Impedanzentzerrung dazugeschaltet:



Der Übergang TT-MT bei der Trennfrequenz um 1kHz sieht ganz gut aus, um 2kHz gibt’s einen leichten Pegelverlust durch Phasenverschiebungen. Und Pegelabsenkung verbietet sich für den M10:

[pulsar99]

Für den Hochtöner war etwas mehr Aufwand nötig: um eine vernünftige Trennung zu erreichen, war ein 18dB-Filter nötig, ausserdem musste der TW6NG mittels Vorwiderstand im Pegel eingebremst werden. Bei den Messungen war noch ein 8,2Ohm Widerstand drin, beim Hören gefielen mir 6,8Ohm besser:



Auch hier passte der Übergang MT-HT bei der Trennfrequenz knapp unter 4kHz ganz gut, aber auch hier etwas Phasenprobleme unter 2,5kHz:



Im Gesamtergebnis dann nicht perfekt linear, aber im Mittel recht ausgewogen, kleine Senke um 2kHz, immer in Anbetracht des verwendeten Materials:



Unter 30° Winkel in Richtung MT/HT zeigt sich eine Überhöhung um 1,5kHz, die wohl auf Achse durch Kantenreflexionen etwas egalisiert werden:



in Gegenrichtung (von MT/HT weg) zeigt sich keine Überhöhung, daher stehen die Boxen bei mir mit den Mittel- und Hochtönern außen und parallel zu den Wänden.



Das Zerfallspektrum zeigt keine besonderen Auffälligkeiten:

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So sieht dann die Frequenzweichenschaltung aus:



Kurz zum praktischen Aufbau der Frequenzweichen:



die zusätzliche Impedanzlinearisierung im Basszweig lässt sich einfach an zusätzlich vorhandenen Lötpunkten unter- und oberhalb des 22µF-Kondensators anschließen. Die Bauteile des Mitteltonzweigs sind mit einem Kontaktkleber auf der Platine fixiert und lassen sich nach ablöten mit einem Cuttermesser problemlos abheben und an den jeweils anderen Stellen wieder einsetzen. Ich hab mir einen 8,2µF Elko gegönnt, eine 3,3µF Elko parallel zum serienmäsigen 4,7µF Elko ginge natürlich auch. Im Hochtonzweig war etwas mehr Aufwand nötig. Der Vorwiderstand sitzt an der Stelle wo normalerweise der Kondensator sitzt. Um die 18dB-Filterung zu realisieren, waren auf der Leiterbahnseite 2 Unterbrechungen nötig (Kreise), ausserdem ein neuer Lötpunkt (Pfeil). Ach ja, fast vergessen: der Hochtöner-Anschluss auf der Platine ist verpolt, der + Anschluss also auf Schaltungsmasse. Der HT muss aber nicht verpolt angeschlossen werden, d.h. HT Minuspol auf den mit + markierten Anschluss legen.



Bleibt noch die Beantwortung der Frage: wie klingt's nun so? Ich tu mich ja immer etwas schwer mit Klangbeschreibungen, trotzdem versuch ich's mal:
Insgesamt war ich in Anbetracht des eingesetzten Materials positiv überrascht. Klar, die unterste Bassoktave fehlt, was aber auch nicht anders zu erwarten war. Aber alles darüber kann der W200 richtig gut. Die Limbos sollten nicht ganz frei stehen, bei mir stehen sie bodennah (aber nicht direkt auf dem Boden), auf einem Board wäre auch gut, so lässt sich der Bass an den Raum anpassen. Dann kommen die Tieftonlagen schön sauber, Bassläufe werden schön konturiert wiedergegeben, Oberbass/untere Mitten je nach Musikmaterial manchmal einen Tick zu vorlaut. Stimmen stehen tendenziell eher weiter hinten, sehr natürlich, je nach Musik etwas bedeckt. Im Hochtonbereich ein wenig uneinheitlich, bedingt durch den deutliche Peak, den der TW6NG bei 12kHz macht. So wie sie jetzt beschaltet sind gefallen sie mir am besten, werden S-Laute nicht lästig, Perkussion/Schlagzeugbecken wunderbar seidig widergegeben. Ich staune über das Auflösungsvermögen der Pappkonen, noch nicht zu viel Schärfe, manchmal aber auch ein minimal englischer Charakter. Ist sicher Geschmackssache, 4,7Ohm vor dem HT ginge sicher auch.

Peter Gabriel begleitet sich bei Mercy Street ('So') praktisch selbst als Background Voc, das ist schön auseinander zu halten, die Percussion klingt klasse. Genau wie weiter bei This Is The Picture. Hier freue ich mich über den Basslauf, dafür klingt Laurie Anderson dort ganz leicht bedeckt.
Das fällt bei Randy Crawford & Joe Sample bei Lovetown ('Feeling Good') nicht so deutlich auf. Dieses Album ist leicht bassbetont abgemischt, passt den Limbos sehr gut.
Letzteres trifft auch auf Joe Sample und den Rest seiner Crusaders zu. Bei Creepin' ('Rural Renewal') klingt die Gitarre von Gastmusiker Eric Clapton hörbar verzerrt, muss aber genau so sein! Und wieder die Percussion!



Fazit: Test bestanden! Klar, die Limbos definieren den Lautsprecher nicht neu, aber der M10 -richtig eingesetzt- funktioniert und macht richtig schön Musik. Geht also doch!

Grüße Ralf

[Anselmo]

Fabelhaft.
Wie immer alles perfekt durchdacht und schön dokumentiert.
Ich kenne alle Deine Arbeiten hier, vor allem aber deine Intus war echt der Hammer. Grosser Fan. Auch wenn ich nie heranreiche.

Viel Spass mit Deiner Limbo !

[gargamel]

Hallo,

Die Dinger gefallen mir irgendwie gut.
Mal ganz was anderes als immer Al,Tiw und Ke.
Und spass kann man da auch mit haben.

Gruss
Guido

[andik]

Ja, mal was ganz anderes, machen bestimmt viel Spaß die 2 Kisten

[yoogie]

Und da heißt es immer, Fertigweichen taugen nix
Ich finde die Teile auch gut.

[GallileoMK2]

Die TT und MT mit den leichten Membranen haben schon einen eigenen und hervorragenden Klang.
Gerade Schlagzeug ist wie live und die übrigen Bässe sind konturenreich, aber leider nicht ganz so fett wie bei GF und co.

[Timo]

sehr gute Idee!!! gefällt mir richtig gut. Gruß Timo

[boeserody]

Top

Gute Idee und gute Umsetzung. Findet bestimmt den einen oder anderen Nachbauer.

Top

[Frankynstone]

Prima! Das bestätigt meine Auffassung, dass man auch mit vertretbarem Materialeinsatz richtig gute Boxen bauen kann.

[pulsar99]

Hallo zusammen,

vielen Dank für eure Komplimente! Bestärkt mich auch in meiner Meinung: es müssen nicht immer die Top-Komponenten sein um prima Lautsprecher zu bauen. Ich bin ja schon lange ein Fan der W***S Serie, und Chassis aus dieser Serie werden auch in meinem nächsten Projekt zum Einsatz kommen, ist schon in Arbeit.

Grüße Ralf

p.s.: kein einziger Kommentar zu den Namensschildern, hat mich gewundert...

[Anselmo]

Öy, coole Schilder hast Du da.

[Frankynstone]

Oh, die Schilder waren zu groß, um mir aufzufallen. Ich bemerke große Dinge nie.

[yoogie]

Sicher habe ich die gesehen, war ja nicht schwer.
Na, dann verrate mal was über die Schilder.
Gedruckt, geschnitzt, handgedengelt? Gar eloxiert? Keine Copyright Bedenken gehabt?
Visaton hat ja grundsätzlich Bedarf an Boxenschildern. An hübscheren als die Plastikdinger.
Zxlimited braucht auch noch dringend 5 Stück.