Hallo Wastler,
hier ein Interview vom Erfinder des "D'Appolito-Prinzips".
Ursprünglich hatte Joe D'Appolito mit einem ganz anderen Bereich der Akustik zu tun: Er war in der Entwicklung von Sonar-Systemen für U-Boote tätig, gewissermaßen ein akustisches Radar. HiFi war zu diesem Zeitpunkt nur sein Hobby. Als die russische Marine kollabierte, nahm die Nachfrage der US-Navy nach Sonarsystemen drastisch ab, und er musste sich ein neues Betätigungsfeld suchen: Er gründete ein unabhängiges Beratungsbüro für Lautsprecher und Akustik. Für Heco entwickelte er vor kurzem die Lautsprecherserie „Signature", und eine weitere Kooperation mit dem traditionsreichen Lautsprecherhersteller wurde vereinbart.
HOBBY HIFI: Herr D'Appolito, welche Eigenschaft eines Lautsprechers ist für Sie die wichtigste?
D'Appolito: Mit Abstand die größte Bedeutung für guten Klang messe ich dem ausgewogenen Amplitudenfrequenzgang der ersten beim Hörer eintreffenden Wellenfront zu. Auf der Symmetrieachse muss ein optimal lineares Amplituden-Übertragungsverhalten gewährleistet sein. Auch das Ausschwingverhalten, dargestellt im CSD (cumulatice spectral decay, kumulatives Zerfallsspektrum oder Wasserfalldiagramm) ist klangrelevant. Be- sonders im Hochtonbereich halte ich das CSD für äußerst aussagekräftig betreffend die Klangqualität eines Lautsprechers; das menschliche Gehör ist bei hohen Frequenzen ziemlich empfindlich.
HOBBY HIFI: Verzerrungen sind weniger wichtig?
D'Appolito: Man sollte sich sehr kritisch mit der Frage beschäftigen, welches Verzerrungsniveau überhaupt hörbar ist. Sicher, ganz vernachlässigen kann man den Klirrfaktor nicht. Aber er spielt nicht die erste Geige.
HOBBY HIFI: Was halten Sie von einem rundumstrahlenden Lautsprecher?
D' Appolito: Nicht optimales Rundstrahlen, sondern ein ausgewogener Frequenzgang auch außerhalb der Symmetrieachse möglichst unter allen Winkeln ist wichtig. Dagegen, dass der Schalldruck außerhalb der Symmetrieachse gleichmäßig abnimmt, ist nichts zu einzuwenden; eine frequenzabhängige Richtcharakteristik ist dagegen problematisch. Gleichmäßiges Rundstrahlverhalten ist eine wichtige Voraussetzung für guten Klang; eine Richtwirkung ist dann nicht zu beanstanden.
HOBBY HIFI: Sie verfechten mit Nachdruck die symmetrische Anordnung zweier Tief- bzw. Mitteltöner ober- und unterhalb des Hochtöners. Welche Probleme, die Ihrer speziellen Anordnung fremd sind, sind „normalen" Lautsprechersysteme zu eigen?
D'Appolito: Ein normales Lautsprechersystem, bestehend aus Hoch- und Tieftöner, hat mit einem ganz wesentlichen Problem zu kämpfen: Die Hauptabstrahlachse bewegt sich im Bereich der Trennfrequenz frequenzabhängig von der Symmetrieachse des Systems weg. Das liegt an der unterschiedlichen Gruppenlaufzeit im Hochton- und Tieftonzweig der Frequenzweiche.
HOBBY HIFI: Welche Auswirkungen hat dies auf die Klangqualität von HiFi-Lautsprechern?
D'Appolito: Stellen Sie sich ein Musikinstrument vor, dessen Grundtöne über den Tieftöner abgestrahlt werden, das Obertonspektrum jedoch mit seinem Schwerpunkt im Übernahmebereich zwischen Hoch- und Tieftöner liegt: Das Gehör nimmt dieses Musikinstrument gleichzeitig in unterschiedlichen Abständen wahr, wird also irritiert, und die Präzision der räumlichen Tiefenwirkung ist dahin.
HOBBY HIFI: Eine Arbeit von Siegfried Linkwitz kommt nun aber doch zu der Aussage, auch mit einer konventionellen Lautsprecheranordnung sei dieses Wandern der Hauptabstrahlrichtung zu verhindern, wenn nur bestimmte Anforderungen an die Frequenzweiche erfüllt sind?
D'Appolito: Linkwitz hat nachgewiesen, dass sich der Effekt des Wanderns der Hauptabstrahlrichtung eliminieren lässt, wenn die Frequenzweiche so ausgelegt wird, dass Hochton- und Tieftonschall im Übernahmebereich völlig gleichphasig sind, beide Komponenten sich also optimal addieren, so dass das Bezugsniveau sechs Dezibel über dem Kreuzungspunkt der Einzelkurven liegt.
HOBBY HI FI: Wie kamen Sie zu Ihrem MTM-Design?
D Appolito: Ich las das Linkwitz-Papier im Jahr 1980 und dachte, ganz nett, nur: Linkwitz vernachlässigt die Laufzeitunterschiede innerhalb der Treiber. In der Praxis kippt die Hauptabstrahlrichtung im Bereich der Trennfrequenz auch dann in Richtung des Tieftöners, wenn ein Linkwitz-Filter verwendet wird, da die Signallaufzeit durch den Tieftöner länger ist als durch den Hochtöner. An der Hörposition liegt der Punkt optimaler Schalladdition bei vielen Lautsprechern dann nicht mehr weit über dem Fußboden.
HOBBY HIFI: Und Ihr Lösungsansatz...?
D'Appollto: Durch Anordnung eines zweiten Tieftöners oberhalb des Hochtonwandlers lässt sich das Problem beheben: Unabhängig von der Frequenz liegen die Zentren von Hoch- und Tieftöner-Schallabstrahlung dann auf einer Achse, das Wandern der Hauptabstrahlrichtung verhindert diese Anordnung daher zuverlässig.
HOBBY HIFI: Ein großes Missverständnis besteht anscheinend zumindest in Deutschland: In vielen Veröffentlichungen heißt es, für ein D 'Appolito-Design sei ein spezieller Typ von Frequenzweiche erforderlich.
D Appolito: Man braucht keinen speziellen Filtertyp für ein MTM-Design. Damit will ich keinesfalls sagen, dass das vertikale Abstrahlverhalten unabhängig vom Filter sei. Das Wandern der Hauptabstrahlrichtung ist aber unabhängig vom Filtertyp komplett eliminiert.
HOBBY HIFI: Allenthalben ist aber doch zu lesen, Filter dritter Ordnung seien für eine D 'Appolito-Konstruktion unverzichtbar.
D'Appolito: Wenn Sie ein optimales MTM-Design konstruieren wollen, dann brauchen Sie eine Frequenzweiche ungeradzahliger Ordnung. Geradzahlige Filtertypen besitzen unausweichlich ein deutlich ausgeprägtes Schalldruckminimum ober- und unterhalb der Symmetrieachse, das sich über einen relativ großen Winkelbereich erstreckt. Ein interessantes Phänomen ist, dass mit einem Filter ungerader Ordnung dieses Minimum längst nicht so deutlich in Erscheinung tritt. Im günstigsten Fall lässt sich sogar ein annähernd kugelförmiges Abstrahlverhalten realisieren. Dies funktioniert allerdings nur bei optimaler Anpassung der Chassis und insbesondere einem sehr geringen Abstand zwischen ihnen. In der Praxis ist es äußerst schwierig, dieses ideale Verhalten zu erreichen. Man kann schon sehr zufrieden damit sein, über einen
Bereich von 25 oder 30 Grad optimales Abstrahlverhalten zu realisieren.
HOBBY HIFI: Ein Abstand der beiden Tiefbzw. Mitteltönerzentren von zwei Drittel der Wellenlänge der Trennfrequenz, so steht es auch immer wieder in HOBBY HIFI zu lesen, soll aber doch die Voraussetzung für einwandfreies Funktionieren erfüllen?
D'Appolito: Das ist korrekt. Aber auch bei einem größeren Chassisabstand greift das Prinzip; Der Winkelbereich, in dem die Schallabstrahlung optimal ist, nimmt mit sinkendem Chassisabstand zu. Unterhalb von zwei Dritteln der Wellenlänge ist dann keine weitere signifikante Verbesserung mehr zu beobachten.
HOBBY HIFI: Für den Mittenlautsprecher einer Surroundanlage drängt sich Ihre symmetrische Chassisanordnung ja geradezu auf jedenfalls besitzt die ganz überwiegende Zahl der von der Lautsprecherindustrie produzierten Center Speaker zwei Tieftöner und in der Mitte dazwischen den Hochtonwandler. Eignet sich das MTM-Design besonders gut für einen Center Speaker?
D'Appolito: Für den Mittenkanal ist MTM nicht sehr geeignet. Ich weiß, dass viele Hersteller ein MTM-Design für Ihre Center Speaker einsetzen. Dem für diese Anwendung geforderten Rundstrahlverhalten wird das Prinzip aber nicht gerecht. In kleinen Räumen ist beim Center über einen relativ großen Wiri-kelbereich optimales Abstrahlverhalten gefragt. Sie können aber bei einem MTM-Design schon sehr zufrieden damit sein, bis zehn Grad außerhalb der Mittelachse einen linearen Amplitudenfrequenzgang zu erzielen. Nur in sehr großen Räumen reicht ein so kleiner Winkelbereich, um ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen.
HOBBY HIFI: Das Stichwort „zeitrichtiger Lautsprecher " ist in aller Munde. Filterschaltungen erster Ordnung gelten als geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Ist es möglich, ein Frequenzweichendesign zu entwerfen, das
eine zeitrichtige Wiedergabe gewährleistet?
D'Appolito: Es gibt diese berühmte deutsche Lautsprecherfirma, mit deren Ansichten ich überhaupt nicht übereinstimme. Dort setzt man häufig Allpassfilter zur Zeitanpassung im Übernahmebereich der Frequenzweichen ein. Der Grund dafür ist, dass sie Filter erster Ordnung verwenden. Diese Filter arbeiten in der Theorie zeitrichtig, bedürfen also keiner Zeitkompensation. Tatsächlich funktioniert die Angelegenheit aber nicht. Man vergisst, dass auch die Lautsprecherchassis an der Phase drehen. In der Praxis gibt es kein
der Theorie genügendes Sechs-Dezibel-Frequenzweichendesign. Es ist reine Zeitverschwendung, so etwas zu versuchen.
HOBBY HIFI: Aber grundsätzlich besitzen Allpassfilterschaltungen, die die Phasenlage frequenzabhängig um 180 Grad drehen, doch ihre Vorzüge?
D'Appolito: Allpassfilter machen in Frequenzweichenschaltungen überhaupt keinen Sinn. Sie drehen zwar die Phase um 180 Grad, aber die Gruppenlaufzeit, die ja die erste Ableitung der Phase nach der Zeit ist, beeinflussen sie nur in dem Bereich, in dem die Phasendrehung stattfindet. Ober- und unterhalb dieser Region passiert nichts. Bei einem typischen Zweiweglautsprecher mit einem Filter zweiter Ordnung ist die Gruppenlaufzeit im Tieftonzweig aber etwa 150 bis 200 Mikrosekunden größer als im Hochtonbereich. Daran vermögen Allpassfilter nichts zu ändern; sie verteilen den Übergang lediglich über einen größeren Bereich. Allenfalls zur Verbesserung der Phasenlage im Übernahmebereich eines Filters sind sie geeignet. Die gleiche Wirkung erzielen Sie aber schon, wenn Sie die Trennfrequenz ein wenig verschieben.
HOBBY HIFI: Und wie beurteilen Sie einen Tiefenversatz auf der Lautsprecherfront zum Ausgleich der Gruppenlaufzeit?
D'Appolito: Ich bin ein praxisorientierter Entwickler. Die Leute lösen Probleme, die überhaupt nicht existieren. Überragendes Ziel jeder Lautsprecherentwicklung ist doch eine tonal ausgewogene erste Wellenfront. Alle anderen Bemühungen müssen sich diesem Ziel unterordnen. Gut, wenn Sie unbedingt einen zeitrichtigen Lautsprecher bauen möchten, dann müssen sie eine Zeitkompensation durchfuhren, ob nun mechanisch oder elektrisch. Das Problem ist: Die bekannten Ver- fahren funktionieren nicht richtig. Der Tiefenversatz etwa wirkt nur auf Achse optimal. Betrachten sie den Lautsprecher seitlich, also unter 90 Grad, dann gibt es keinen Tiefenversatz mehr. Zur Erzielung des von mir geforderten optimalen Rundstrahlverhaltens ist ein Tiefenversatz auf der Schallwand daher ungeeignet.
HOBBY HIFI: Ist es aber nicht besser, zumindest auf Achse ein optimales Zeitverhalten zu realisieren?
D'Appolito: Ich bin nicht der Meinung, dass die Leute ihren Kopf in einen Schraubstock spannen sollten, damit er im „Sweet Spot" bleibt. Schauen Sie, Sie bewegen sich doch auch beim Mu-sikhören, und in der Regel wollen sogar mehrere Personen in den Genuss optimalen Klangs kommen. Schon über einen Winkelbereich von 30 Grad ist es nicht möglich, die auf Achse optimale Zeitanpassung beizubehalten.
HOBBY HIFI: Was halten Sie von einer quasi doppelten D Appolito-Anordnung mit vier Mitteltönern ober- und unterhalb sowie links und rechts vom Hochtöner?
D'Appolito: Eine solche Anordnung ist nicht sinnvoll, da sie zusätzliche Schalleinschnürungen in der horizontalen Ebene hervorruft, die bei strikt vertikaler Anordnung nicht auftreten. Schließlich vermeidet man ja auch, Hoch-und Mitteltöner in konventionellen Konstruktionen nebeneinander anzuordnen, da das horizontale Rundstrahlverhalten viel wichtiger ist als das vertikale.
HOBBY HIFI: Wie intensiv nutzen Sie bei der Lautsprecherentwicklung Simulationsprogramme?
D'Appolito: Alle meine Entwicklungen basieren auf Messungen, nicht auf Computermodellen. Die Schallwandgeometrie ist extrem wichtig, und die Schallbrechung und -beugung an Gehäusekanten kann kein Simulationsprogramm zutreffend darstellen. Aus diesem Grund besitzen alle Prototypen, mit denen ich arbeite, eine Gehäuseform, die sehr nah an der endgültigen Form liegt. Kein Computerprogramm vermag die zahlreichen mechanischen
Details einer Lautsprecherschallwand korrekt zu berücksichtigen.
HOBBY HIFI: Wie gehen Sie an eine Lautsprecherentwicklung heran?
D'Appolito: Als erstes fertige ich einen Prototypen und führe einige Messungen der eingebauten Lautsprecherchassis durch. Beim Frequenzweichendesign achte ich zuallererst auf einen ausgewogenen, linearen Frequenzgang der ersten eintreffenden Wellenfront. Das ist mit Abstand das wichtigste Kriterium für guten Klang.
HOBBY HIFI: Wenn Sie die Wahl haben: Wo sollte die Trennfrequenz zwischen dem Mittel- bzw. Tiefmitteltöner und dem Hochtöner liegen?
D'Appolito: Möglichst niedrig. Ich versuche, niemals eine höhere Trennfrequenz als zwei oder 2,2 Kilohertz zu erreichen. Tiefer ist natürlich besser - wenn der Hochtöner das zulässt.
HOBBY HIFI: Achten Sie auf eine konstante Gruppenlaufzeit?
D'Appolito: Das Problem ist: Wenn ich die Gruppenlaufzeit optimiere, dann kommt meist ein unebener Schalldruckfrequenzgang heraus. Da ist mir eine weniger glatt verlaufende Gruppenlaufzeit bei optimaler Amplitudenlinearität viel lieber. Das heißt nicht, dass ich der Gruppenlaufzeit jegliche Klangrelevanz abspreche; für den Speaker Builder habe ich vor Jahren einen kanadischen Lautsprecher getestet, der ein optimales Zeitverhalten mit einer wunderschönen Sprungantwort besaß. Der Tieftöner lief ganz ohne Frequenzweiche, der Hochtöner war mit einem Filter erster Ordnung angekoppelt. Die Schalldrucklinearität war nicht so toll, es gab Einbrüche bis fünf Dezibel im Frequenzgang, aber keine Überhöhungen. Und dieser Lautsprecher klang wirklich gut.
HOBBY HIFI: Dann ist für Sie das Amplituden- wichtiger als das Zeitverhalten eines Lautsprechers?
D'Appolito: Ich entwickle Lautsprecher im Frequenzbereich und schaue hinterher nach, was im Zeitbereich passiert. Ganz klar: Das Schalldruck-Amplitudenver-
halten ist mir wichtiger. Jeder spricht von zeitrichtigen Lautsprechern. Natürlich- Sie können eine Zeitanpassung bei der Trennfrequenz durchführen. Allerdings durchlaufen verschiedene Frequenzen einen Lautsprecher nun einmal in unterschiedlichen Zeiten, selbst innerhalb eines Chassis treten Laufzeitunterschiede auf. Alle diese Laufzeitdifferenzen können Sie nicht ausgleichen
- eine perfekte Zeitanpassung ist illusorisch.
HOBBY HIFI: Was ist das Wichtigste, um eine gut Lautsprecherentwicklung durchzuführen?
D' Appolito: Ein gutes Paar Ohren und gutes Engineering.
HOBBY HIFI:" Das wünschen wir Ihnen von ganzem Herzen. Vielen Dank für dieses Gespräch und weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Arbeit!“
Quelle: "HOBBY HIFI", Heft 3/2001, Seite 48-51
Der Laie
hier ein Interview vom Erfinder des "D'Appolito-Prinzips".
Ursprünglich hatte Joe D'Appolito mit einem ganz anderen Bereich der Akustik zu tun: Er war in der Entwicklung von Sonar-Systemen für U-Boote tätig, gewissermaßen ein akustisches Radar. HiFi war zu diesem Zeitpunkt nur sein Hobby. Als die russische Marine kollabierte, nahm die Nachfrage der US-Navy nach Sonarsystemen drastisch ab, und er musste sich ein neues Betätigungsfeld suchen: Er gründete ein unabhängiges Beratungsbüro für Lautsprecher und Akustik. Für Heco entwickelte er vor kurzem die Lautsprecherserie „Signature", und eine weitere Kooperation mit dem traditionsreichen Lautsprecherhersteller wurde vereinbart.
HOBBY HIFI: Herr D'Appolito, welche Eigenschaft eines Lautsprechers ist für Sie die wichtigste?
D'Appolito: Mit Abstand die größte Bedeutung für guten Klang messe ich dem ausgewogenen Amplitudenfrequenzgang der ersten beim Hörer eintreffenden Wellenfront zu. Auf der Symmetrieachse muss ein optimal lineares Amplituden-Übertragungsverhalten gewährleistet sein. Auch das Ausschwingverhalten, dargestellt im CSD (cumulatice spectral decay, kumulatives Zerfallsspektrum oder Wasserfalldiagramm) ist klangrelevant. Be- sonders im Hochtonbereich halte ich das CSD für äußerst aussagekräftig betreffend die Klangqualität eines Lautsprechers; das menschliche Gehör ist bei hohen Frequenzen ziemlich empfindlich.
HOBBY HIFI: Verzerrungen sind weniger wichtig?
D'Appolito: Man sollte sich sehr kritisch mit der Frage beschäftigen, welches Verzerrungsniveau überhaupt hörbar ist. Sicher, ganz vernachlässigen kann man den Klirrfaktor nicht. Aber er spielt nicht die erste Geige.
HOBBY HIFI: Was halten Sie von einem rundumstrahlenden Lautsprecher?
D' Appolito: Nicht optimales Rundstrahlen, sondern ein ausgewogener Frequenzgang auch außerhalb der Symmetrieachse möglichst unter allen Winkeln ist wichtig. Dagegen, dass der Schalldruck außerhalb der Symmetrieachse gleichmäßig abnimmt, ist nichts zu einzuwenden; eine frequenzabhängige Richtcharakteristik ist dagegen problematisch. Gleichmäßiges Rundstrahlverhalten ist eine wichtige Voraussetzung für guten Klang; eine Richtwirkung ist dann nicht zu beanstanden.
HOBBY HIFI: Sie verfechten mit Nachdruck die symmetrische Anordnung zweier Tief- bzw. Mitteltöner ober- und unterhalb des Hochtöners. Welche Probleme, die Ihrer speziellen Anordnung fremd sind, sind „normalen" Lautsprechersysteme zu eigen?
D'Appolito: Ein normales Lautsprechersystem, bestehend aus Hoch- und Tieftöner, hat mit einem ganz wesentlichen Problem zu kämpfen: Die Hauptabstrahlachse bewegt sich im Bereich der Trennfrequenz frequenzabhängig von der Symmetrieachse des Systems weg. Das liegt an der unterschiedlichen Gruppenlaufzeit im Hochton- und Tieftonzweig der Frequenzweiche.
HOBBY HIFI: Welche Auswirkungen hat dies auf die Klangqualität von HiFi-Lautsprechern?
D'Appolito: Stellen Sie sich ein Musikinstrument vor, dessen Grundtöne über den Tieftöner abgestrahlt werden, das Obertonspektrum jedoch mit seinem Schwerpunkt im Übernahmebereich zwischen Hoch- und Tieftöner liegt: Das Gehör nimmt dieses Musikinstrument gleichzeitig in unterschiedlichen Abständen wahr, wird also irritiert, und die Präzision der räumlichen Tiefenwirkung ist dahin.
HOBBY HIFI: Eine Arbeit von Siegfried Linkwitz kommt nun aber doch zu der Aussage, auch mit einer konventionellen Lautsprecheranordnung sei dieses Wandern der Hauptabstrahlrichtung zu verhindern, wenn nur bestimmte Anforderungen an die Frequenzweiche erfüllt sind?
D'Appolito: Linkwitz hat nachgewiesen, dass sich der Effekt des Wanderns der Hauptabstrahlrichtung eliminieren lässt, wenn die Frequenzweiche so ausgelegt wird, dass Hochton- und Tieftonschall im Übernahmebereich völlig gleichphasig sind, beide Komponenten sich also optimal addieren, so dass das Bezugsniveau sechs Dezibel über dem Kreuzungspunkt der Einzelkurven liegt.
HOBBY HI FI: Wie kamen Sie zu Ihrem MTM-Design?
D Appolito: Ich las das Linkwitz-Papier im Jahr 1980 und dachte, ganz nett, nur: Linkwitz vernachlässigt die Laufzeitunterschiede innerhalb der Treiber. In der Praxis kippt die Hauptabstrahlrichtung im Bereich der Trennfrequenz auch dann in Richtung des Tieftöners, wenn ein Linkwitz-Filter verwendet wird, da die Signallaufzeit durch den Tieftöner länger ist als durch den Hochtöner. An der Hörposition liegt der Punkt optimaler Schalladdition bei vielen Lautsprechern dann nicht mehr weit über dem Fußboden.
HOBBY HIFI: Und Ihr Lösungsansatz...?
D'Appollto: Durch Anordnung eines zweiten Tieftöners oberhalb des Hochtonwandlers lässt sich das Problem beheben: Unabhängig von der Frequenz liegen die Zentren von Hoch- und Tieftöner-Schallabstrahlung dann auf einer Achse, das Wandern der Hauptabstrahlrichtung verhindert diese Anordnung daher zuverlässig.
HOBBY HIFI: Ein großes Missverständnis besteht anscheinend zumindest in Deutschland: In vielen Veröffentlichungen heißt es, für ein D 'Appolito-Design sei ein spezieller Typ von Frequenzweiche erforderlich.
D Appolito: Man braucht keinen speziellen Filtertyp für ein MTM-Design. Damit will ich keinesfalls sagen, dass das vertikale Abstrahlverhalten unabhängig vom Filter sei. Das Wandern der Hauptabstrahlrichtung ist aber unabhängig vom Filtertyp komplett eliminiert.
HOBBY HIFI: Allenthalben ist aber doch zu lesen, Filter dritter Ordnung seien für eine D 'Appolito-Konstruktion unverzichtbar.
D'Appolito: Wenn Sie ein optimales MTM-Design konstruieren wollen, dann brauchen Sie eine Frequenzweiche ungeradzahliger Ordnung. Geradzahlige Filtertypen besitzen unausweichlich ein deutlich ausgeprägtes Schalldruckminimum ober- und unterhalb der Symmetrieachse, das sich über einen relativ großen Winkelbereich erstreckt. Ein interessantes Phänomen ist, dass mit einem Filter ungerader Ordnung dieses Minimum längst nicht so deutlich in Erscheinung tritt. Im günstigsten Fall lässt sich sogar ein annähernd kugelförmiges Abstrahlverhalten realisieren. Dies funktioniert allerdings nur bei optimaler Anpassung der Chassis und insbesondere einem sehr geringen Abstand zwischen ihnen. In der Praxis ist es äußerst schwierig, dieses ideale Verhalten zu erreichen. Man kann schon sehr zufrieden damit sein, über einen
Bereich von 25 oder 30 Grad optimales Abstrahlverhalten zu realisieren.
HOBBY HIFI: Ein Abstand der beiden Tiefbzw. Mitteltönerzentren von zwei Drittel der Wellenlänge der Trennfrequenz, so steht es auch immer wieder in HOBBY HIFI zu lesen, soll aber doch die Voraussetzung für einwandfreies Funktionieren erfüllen?
D'Appolito: Das ist korrekt. Aber auch bei einem größeren Chassisabstand greift das Prinzip; Der Winkelbereich, in dem die Schallabstrahlung optimal ist, nimmt mit sinkendem Chassisabstand zu. Unterhalb von zwei Dritteln der Wellenlänge ist dann keine weitere signifikante Verbesserung mehr zu beobachten.
HOBBY HIFI: Für den Mittenlautsprecher einer Surroundanlage drängt sich Ihre symmetrische Chassisanordnung ja geradezu auf jedenfalls besitzt die ganz überwiegende Zahl der von der Lautsprecherindustrie produzierten Center Speaker zwei Tieftöner und in der Mitte dazwischen den Hochtonwandler. Eignet sich das MTM-Design besonders gut für einen Center Speaker?
D'Appolito: Für den Mittenkanal ist MTM nicht sehr geeignet. Ich weiß, dass viele Hersteller ein MTM-Design für Ihre Center Speaker einsetzen. Dem für diese Anwendung geforderten Rundstrahlverhalten wird das Prinzip aber nicht gerecht. In kleinen Räumen ist beim Center über einen relativ großen Wiri-kelbereich optimales Abstrahlverhalten gefragt. Sie können aber bei einem MTM-Design schon sehr zufrieden damit sein, bis zehn Grad außerhalb der Mittelachse einen linearen Amplitudenfrequenzgang zu erzielen. Nur in sehr großen Räumen reicht ein so kleiner Winkelbereich, um ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen.
HOBBY HIFI: Das Stichwort „zeitrichtiger Lautsprecher " ist in aller Munde. Filterschaltungen erster Ordnung gelten als geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Ist es möglich, ein Frequenzweichendesign zu entwerfen, das
eine zeitrichtige Wiedergabe gewährleistet?
D'Appolito: Es gibt diese berühmte deutsche Lautsprecherfirma, mit deren Ansichten ich überhaupt nicht übereinstimme. Dort setzt man häufig Allpassfilter zur Zeitanpassung im Übernahmebereich der Frequenzweichen ein. Der Grund dafür ist, dass sie Filter erster Ordnung verwenden. Diese Filter arbeiten in der Theorie zeitrichtig, bedürfen also keiner Zeitkompensation. Tatsächlich funktioniert die Angelegenheit aber nicht. Man vergisst, dass auch die Lautsprecherchassis an der Phase drehen. In der Praxis gibt es kein
der Theorie genügendes Sechs-Dezibel-Frequenzweichendesign. Es ist reine Zeitverschwendung, so etwas zu versuchen.
HOBBY HIFI: Aber grundsätzlich besitzen Allpassfilterschaltungen, die die Phasenlage frequenzabhängig um 180 Grad drehen, doch ihre Vorzüge?
D'Appolito: Allpassfilter machen in Frequenzweichenschaltungen überhaupt keinen Sinn. Sie drehen zwar die Phase um 180 Grad, aber die Gruppenlaufzeit, die ja die erste Ableitung der Phase nach der Zeit ist, beeinflussen sie nur in dem Bereich, in dem die Phasendrehung stattfindet. Ober- und unterhalb dieser Region passiert nichts. Bei einem typischen Zweiweglautsprecher mit einem Filter zweiter Ordnung ist die Gruppenlaufzeit im Tieftonzweig aber etwa 150 bis 200 Mikrosekunden größer als im Hochtonbereich. Daran vermögen Allpassfilter nichts zu ändern; sie verteilen den Übergang lediglich über einen größeren Bereich. Allenfalls zur Verbesserung der Phasenlage im Übernahmebereich eines Filters sind sie geeignet. Die gleiche Wirkung erzielen Sie aber schon, wenn Sie die Trennfrequenz ein wenig verschieben.
HOBBY HIFI: Und wie beurteilen Sie einen Tiefenversatz auf der Lautsprecherfront zum Ausgleich der Gruppenlaufzeit?
D'Appolito: Ich bin ein praxisorientierter Entwickler. Die Leute lösen Probleme, die überhaupt nicht existieren. Überragendes Ziel jeder Lautsprecherentwicklung ist doch eine tonal ausgewogene erste Wellenfront. Alle anderen Bemühungen müssen sich diesem Ziel unterordnen. Gut, wenn Sie unbedingt einen zeitrichtigen Lautsprecher bauen möchten, dann müssen sie eine Zeitkompensation durchfuhren, ob nun mechanisch oder elektrisch. Das Problem ist: Die bekannten Ver- fahren funktionieren nicht richtig. Der Tiefenversatz etwa wirkt nur auf Achse optimal. Betrachten sie den Lautsprecher seitlich, also unter 90 Grad, dann gibt es keinen Tiefenversatz mehr. Zur Erzielung des von mir geforderten optimalen Rundstrahlverhaltens ist ein Tiefenversatz auf der Schallwand daher ungeeignet.
HOBBY HIFI: Ist es aber nicht besser, zumindest auf Achse ein optimales Zeitverhalten zu realisieren?
D'Appolito: Ich bin nicht der Meinung, dass die Leute ihren Kopf in einen Schraubstock spannen sollten, damit er im „Sweet Spot" bleibt. Schauen Sie, Sie bewegen sich doch auch beim Mu-sikhören, und in der Regel wollen sogar mehrere Personen in den Genuss optimalen Klangs kommen. Schon über einen Winkelbereich von 30 Grad ist es nicht möglich, die auf Achse optimale Zeitanpassung beizubehalten.
HOBBY HIFI: Was halten Sie von einer quasi doppelten D Appolito-Anordnung mit vier Mitteltönern ober- und unterhalb sowie links und rechts vom Hochtöner?
D'Appolito: Eine solche Anordnung ist nicht sinnvoll, da sie zusätzliche Schalleinschnürungen in der horizontalen Ebene hervorruft, die bei strikt vertikaler Anordnung nicht auftreten. Schließlich vermeidet man ja auch, Hoch-und Mitteltöner in konventionellen Konstruktionen nebeneinander anzuordnen, da das horizontale Rundstrahlverhalten viel wichtiger ist als das vertikale.
HOBBY HIFI: Wie intensiv nutzen Sie bei der Lautsprecherentwicklung Simulationsprogramme?
D'Appolito: Alle meine Entwicklungen basieren auf Messungen, nicht auf Computermodellen. Die Schallwandgeometrie ist extrem wichtig, und die Schallbrechung und -beugung an Gehäusekanten kann kein Simulationsprogramm zutreffend darstellen. Aus diesem Grund besitzen alle Prototypen, mit denen ich arbeite, eine Gehäuseform, die sehr nah an der endgültigen Form liegt. Kein Computerprogramm vermag die zahlreichen mechanischen
Details einer Lautsprecherschallwand korrekt zu berücksichtigen.
HOBBY HIFI: Wie gehen Sie an eine Lautsprecherentwicklung heran?
D'Appolito: Als erstes fertige ich einen Prototypen und führe einige Messungen der eingebauten Lautsprecherchassis durch. Beim Frequenzweichendesign achte ich zuallererst auf einen ausgewogenen, linearen Frequenzgang der ersten eintreffenden Wellenfront. Das ist mit Abstand das wichtigste Kriterium für guten Klang.
HOBBY HIFI: Wenn Sie die Wahl haben: Wo sollte die Trennfrequenz zwischen dem Mittel- bzw. Tiefmitteltöner und dem Hochtöner liegen?
D'Appolito: Möglichst niedrig. Ich versuche, niemals eine höhere Trennfrequenz als zwei oder 2,2 Kilohertz zu erreichen. Tiefer ist natürlich besser - wenn der Hochtöner das zulässt.
HOBBY HIFI: Achten Sie auf eine konstante Gruppenlaufzeit?
D'Appolito: Das Problem ist: Wenn ich die Gruppenlaufzeit optimiere, dann kommt meist ein unebener Schalldruckfrequenzgang heraus. Da ist mir eine weniger glatt verlaufende Gruppenlaufzeit bei optimaler Amplitudenlinearität viel lieber. Das heißt nicht, dass ich der Gruppenlaufzeit jegliche Klangrelevanz abspreche; für den Speaker Builder habe ich vor Jahren einen kanadischen Lautsprecher getestet, der ein optimales Zeitverhalten mit einer wunderschönen Sprungantwort besaß. Der Tieftöner lief ganz ohne Frequenzweiche, der Hochtöner war mit einem Filter erster Ordnung angekoppelt. Die Schalldrucklinearität war nicht so toll, es gab Einbrüche bis fünf Dezibel im Frequenzgang, aber keine Überhöhungen. Und dieser Lautsprecher klang wirklich gut.
HOBBY HIFI: Dann ist für Sie das Amplituden- wichtiger als das Zeitverhalten eines Lautsprechers?
D'Appolito: Ich entwickle Lautsprecher im Frequenzbereich und schaue hinterher nach, was im Zeitbereich passiert. Ganz klar: Das Schalldruck-Amplitudenver-
halten ist mir wichtiger. Jeder spricht von zeitrichtigen Lautsprechern. Natürlich- Sie können eine Zeitanpassung bei der Trennfrequenz durchführen. Allerdings durchlaufen verschiedene Frequenzen einen Lautsprecher nun einmal in unterschiedlichen Zeiten, selbst innerhalb eines Chassis treten Laufzeitunterschiede auf. Alle diese Laufzeitdifferenzen können Sie nicht ausgleichen
- eine perfekte Zeitanpassung ist illusorisch.
HOBBY HIFI: Was ist das Wichtigste, um eine gut Lautsprecherentwicklung durchzuführen?
D' Appolito: Ein gutes Paar Ohren und gutes Engineering.
HOBBY HIFI:" Das wünschen wir Ihnen von ganzem Herzen. Vielen Dank für dieses Gespräch und weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Arbeit!“
Quelle: "HOBBY HIFI", Heft 3/2001, Seite 48-51
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