Quelle: Deutschlandfunk - Forschung Aktuell
Tinnitus heilen mit Musik
Musiktherapeuten gegen den kleinen Mann im Ohr
Von Mirko Smiljanic
Medizin. - Rund drei Millionen Menschen leiden in Deutschland an Ohrgeräuschen, dem so genannten Tinnitus. Trotz aller Forschung halten sich die Therapieerfolge allerdings in Grenzen. Im Rahmen einer Wissenschafts-Pressekonferenz stellten heute Heidelberger Musiktherapeuten ein neues Behandlungskonzept vor, das sich in zwei Punkten vom Bisherigen unterscheidet: Es ist neurologisch orientiert und zeigt erstaunlich gute Ergebnisse.
Jahrelanger Stress in der Schule hatte den Osnabrücker Lehrer Raimund Holweg fast an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Eine längere Kur verhinderte den Kollaps, spurlos ging die Geschichte aber nicht an ihm vorüber. Eines nachts wachte er auf und hört einen Ton. Raimund Holweg litt an einem Tinnitus, ein äußerst unangenehmes Leiden, bei dem der Lehrer Tag und Nacht von einem acht Kilohertz-Dauerton verfolgt wurde. Andere Patienten hören andere Töne. Etwa Sinuspulse im Rauschen. Oder ein breitbandiges Geräusch, bei dem sich alle möglichen Frequenzen zu einem akustischen Brei vermischen. Schön hört sich keiner der Töne an. Genau genommen sind es auch keine, allerdings reagiert das Hörzentrum im Gehirn auf die imaginären Töne, als ob das Rauschen und Brummen von außen käme. Nachweisen lässt sich das mit bildgebenden Verfahren. Tinnitus-Patienten haben im auditiven Kortex - also dort, wo das Hirn Hörsignale verarbeitet - so genannte Ausfransungen.
"Ausfransen heißt, dass Zellen aktiv werden, die letztendlich für eine bestimmte Frequenz, die gar nicht eingespielt wird, zuständig wären. Das heißt, wir hören etwas, obwohl es nichts zu hören gibt."
Trotzdem nimmt Hans Volker Bolay, Professor für Musiktherapie an der Fachhochschule Heidelberg, diese Töne ernst. So ernst, dass er versucht den Frequenzbereich der Tinnitus-Töne,…
"…in musikalische Übungen und musikalische Stimulanzreize zu integrieren, genau in den Randbereichen der Tinnitusfrequenz musikalische Prozesse dem Patienten zum Hörtraining vorzugeben. "
Der Patient hört Musik, in die der störende Tinnitus-Ton zugemischt wird.
"Da passiert im Gehirn, so weit wir von den bisherigen Grundlagenforschungen Rückschlüsse ziehen können, ein Differenzierungstraining in der akustischen Wahrnehmung, in der Frequenzwahrnehmung, das ist im Moment der Erklärungsansatz, der sich daraus ergibt, dass ja nun akustische Reize nicht an beliebigen Stellen, sondern nur im auditorischen Kortex wahrgenommen und verarbeitet werden, beziehungsweise umgewandelt werden. "
Die Therapie will die Ausfransungen - ausgelöst durch imaginäre Töne - ersetzen durch die Wahrnehmung "echter" Tinnitus-Töne. Dadurch reorganisiert sich der Bereich des Gehirns, den bisher Tinnitus-Töne gestört haben. Gleichzeitig erlebt der Patient…
"...den Tinnitus nicht mehr als extremen Störenfried, den er im Ohr hat, sondern er erlebt ihn in dem Moment plötzlich als einen passenden, harmonischen Bestandteil eines musikalischen Ereignisses, das er jetzt gerade hört."
Das neue Behandlungskonzept ist erstaunlich erfolgreich. In einer Studie am Deutschen Zentrum für Musiktherapieforschung in Heidelberg wiesen Wissenschaftler nach, dass acht Stunden Musiktherapie reichen, um den Tinnitus fast komplett auszulöschen. Allerdings hat sich auch gezeigt, dass bestimmt Tinnitus-Formen musiktherapeutisch nicht behandelbar sind. Unregelmäßige Knackgeräusche etwa lassen sich nur schlecht in Musikstücke integrieren. Für Raimund Holweg aber war die Therapie ein Segen. Sein Tinnitus verschwand einfach.
Tinnitus heilen mit Musik
Musiktherapeuten gegen den kleinen Mann im Ohr
Von Mirko Smiljanic
Medizin. - Rund drei Millionen Menschen leiden in Deutschland an Ohrgeräuschen, dem so genannten Tinnitus. Trotz aller Forschung halten sich die Therapieerfolge allerdings in Grenzen. Im Rahmen einer Wissenschafts-Pressekonferenz stellten heute Heidelberger Musiktherapeuten ein neues Behandlungskonzept vor, das sich in zwei Punkten vom Bisherigen unterscheidet: Es ist neurologisch orientiert und zeigt erstaunlich gute Ergebnisse.
Jahrelanger Stress in der Schule hatte den Osnabrücker Lehrer Raimund Holweg fast an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Eine längere Kur verhinderte den Kollaps, spurlos ging die Geschichte aber nicht an ihm vorüber. Eines nachts wachte er auf und hört einen Ton. Raimund Holweg litt an einem Tinnitus, ein äußerst unangenehmes Leiden, bei dem der Lehrer Tag und Nacht von einem acht Kilohertz-Dauerton verfolgt wurde. Andere Patienten hören andere Töne. Etwa Sinuspulse im Rauschen. Oder ein breitbandiges Geräusch, bei dem sich alle möglichen Frequenzen zu einem akustischen Brei vermischen. Schön hört sich keiner der Töne an. Genau genommen sind es auch keine, allerdings reagiert das Hörzentrum im Gehirn auf die imaginären Töne, als ob das Rauschen und Brummen von außen käme. Nachweisen lässt sich das mit bildgebenden Verfahren. Tinnitus-Patienten haben im auditiven Kortex - also dort, wo das Hirn Hörsignale verarbeitet - so genannte Ausfransungen.
"Ausfransen heißt, dass Zellen aktiv werden, die letztendlich für eine bestimmte Frequenz, die gar nicht eingespielt wird, zuständig wären. Das heißt, wir hören etwas, obwohl es nichts zu hören gibt."
Trotzdem nimmt Hans Volker Bolay, Professor für Musiktherapie an der Fachhochschule Heidelberg, diese Töne ernst. So ernst, dass er versucht den Frequenzbereich der Tinnitus-Töne,…
"…in musikalische Übungen und musikalische Stimulanzreize zu integrieren, genau in den Randbereichen der Tinnitusfrequenz musikalische Prozesse dem Patienten zum Hörtraining vorzugeben. "
Der Patient hört Musik, in die der störende Tinnitus-Ton zugemischt wird.
"Da passiert im Gehirn, so weit wir von den bisherigen Grundlagenforschungen Rückschlüsse ziehen können, ein Differenzierungstraining in der akustischen Wahrnehmung, in der Frequenzwahrnehmung, das ist im Moment der Erklärungsansatz, der sich daraus ergibt, dass ja nun akustische Reize nicht an beliebigen Stellen, sondern nur im auditorischen Kortex wahrgenommen und verarbeitet werden, beziehungsweise umgewandelt werden. "
Die Therapie will die Ausfransungen - ausgelöst durch imaginäre Töne - ersetzen durch die Wahrnehmung "echter" Tinnitus-Töne. Dadurch reorganisiert sich der Bereich des Gehirns, den bisher Tinnitus-Töne gestört haben. Gleichzeitig erlebt der Patient…
"...den Tinnitus nicht mehr als extremen Störenfried, den er im Ohr hat, sondern er erlebt ihn in dem Moment plötzlich als einen passenden, harmonischen Bestandteil eines musikalischen Ereignisses, das er jetzt gerade hört."
Das neue Behandlungskonzept ist erstaunlich erfolgreich. In einer Studie am Deutschen Zentrum für Musiktherapieforschung in Heidelberg wiesen Wissenschaftler nach, dass acht Stunden Musiktherapie reichen, um den Tinnitus fast komplett auszulöschen. Allerdings hat sich auch gezeigt, dass bestimmt Tinnitus-Formen musiktherapeutisch nicht behandelbar sind. Unregelmäßige Knackgeräusche etwa lassen sich nur schlecht in Musikstücke integrieren. Für Raimund Holweg aber war die Therapie ein Segen. Sein Tinnitus verschwand einfach.
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