14. August 2005 Ja, selbst Studenten mit nur zwei Meter lichter Wohnweite zwischen den Billy-Regalen sollten hier weiterlesen, auch wenn sich die Gerätschaft, um die es im folgenden geht, mit einer gewissen Großzügigkeit der Lebensverhältnisse besser verträgt. Denn gerade der junge Mensch braucht Träume, und hier ist der Stoff dazu. Was der Nachwuchs oft gar nicht mehr weiß: Ein Verstärker war nicht immer eine langweilige Schachtel mit digital getaktetem Innenleben, ein Zweckbau eben, ein austauschbares Stück Materie gewordener Funktionalität. Früher verliehen dem Verstärker glimmende Röhren Energie, Seele, Charakter und körperliche Präsenz, lauter Eigenschaften, die wir in iPod-Zeiten gelegentlich vermissen. Aber es gibt sie noch, die Kraftwerke mit dem Dampfmaschinen-Charme. Eins davon stammt aus dem schönen Venetien, hört auf den unter High-End-Adepten berühmten Familiennamen Unison und signalisiert mit der Typenbezeichnung Performance, daß es nicht nur Dekorationsbedürfnisse befriedigen will - obwohl es dazu die besten Voraussetzungen mitbringt: Auf einem sorgsam geschreinerten und polierten hölzernen Korpus, breit wie eine Louis-seize-Kommode, erheben sich zehn glänzende Glaskolben in schwungvoller Choreographie vor einem Quartett finster dräuender Transformatorenblöcke. Eindrucksvoller kann ein gestalterisches Kontrastprogramm kaum sein.
Eindrücklich sind auch die mit der Installation des Boliden verbundenen Erfahrungen: Gut 50 Kilogramm wiegt der Unison. Und wenn er zum ersten Mal ans Netz geht, überrascht er mit einer Wärmeentwicklung, die in einem Studentengemach glatt die Heizung erübrigen könnte. Bevor wir erörtern, weshalb das alles so ist, erledigen wir noch rasch ein paar Trivialitäten: Das Modell Performance ist seiner exakten Funktion nach ein Vollverstärker, der vier Geräten mit Hochpegel-Ausgang und einem Rekorder Anschluß gewährt. Für einen Plattenspieler braucht er die Zusammenarbeit mit einem zusätzlichen, speziellen Phono-Verstärker. Zur Umschaltung der Quellen und zur Fernsteuerung des motorgetriebenen Lautstärkereglers gibt es eine Fernbedienung mit kongenial edel poliertem Holzgehäuse. Daß der Apparat rund 8000 Euro kostet (Importeur: www.lauditeur.de) überrascht ob seiner physischen Gestalt nicht besonders und wird sicher von jenen, die seine Qualitäten zu schätzen wissen, sogar als günstig empfunden. Aber wir wollen die Ergebnisse unserer näheren Beschäftigung mit dem Norditaliener nicht vorwegnehmen.
Betrieb mit Class A
Hinter dem Geheimnis der Wärmeabstrahlung, noch zusätzlich unterstützt durch Edelstahl-Reflektoren auf dem Röhren-Oberdeck, steckt eine Betriebsart namens Class A, die durch die Leistungsabteilung des Verstärkers selbst dann noch kräftigen Strom schickt, wenn die Musik Pause hat. So sollen die Röhren jene Extremregionen ihres Arbeitsbereichs meiden, in denen sie nicht mehr linear verstärken, sprich: Verzerrungen produzieren.
Sechs dicke Leistungsröhren
Unison folgt dieser Philosophie besonders konsequent: Um die nichtlineare Arbeitsweise wirklich sicher auszuschließen, verzichtet der Verstärker auf das Gegentakt-Prinzip, das die meisten seiner Artgenossen wegen des damit verbundenen, besseren Wirkungsgrads anwenden. Es beruht auf einer Arbeitsteilung: Während eine Hälfte der verstärkenden Baugruppen sich mit den positiven Halbwellen des tönenden Wechselstroms beschäftigt, bleibt die andere Hälfte arbeitslos - und umgekehrt. Die dicken Leistungsröhren des Performance dagegen - es handelt sich um sechs Pentoden vom Typ KT 88 - verarbeiten jede musische Schwingung komplett. Dazu muß ihr Ruhestrom, also der Strom während musikalischer Stille, etwa beim halben Wert des Maximalstroms liegen. Das erklärt den Heizeffekt, und es erklärt auch die gewichtige Erscheinung der Ausgangs- und der Netztransformatoren: Diese Bauteile müssen extremen Anforderungen genügen, um nicht verzerrungsträchtigen Phänomenen wie magnetischer Sättigung anheimzufallen. Das archaische Grundkonzept ihres Zöglings ergänzen die Unison-Ingenieure allerdings gezielt mit Segnungen der Halbleiter-Neuzeit. Mit Transistoren aufgebaute, ausgefeilte Regelungsschaltungen sorgen dafür, daß jede einzelne der sechs Leistungsröhren stets automatisch mit ihrem idealen Ruhestrom arbeitet - selbst dann, wenn nach den üblichen Alterungsprozessen im Inneren der heißen Glaskolben veränderte Werte nötig werden.
Die Papierform eines solchen Verstärkers sagt nicht sehr viel aus; wir erwähnen nur der Vollständigkeit halber, daß die Datenblätter von einer in modernen Zeiten eher mager anmutenden Ausgangsleistung von zweimal 40 Watt sprechen, was für ein Modell der beschriebenen Schaltungsart noch nicht einmal wenig ist. Wichtiger zu wissen ist, daß der Verstärker klaglos mit nahezu allen Lautsprechern zusammenarbeitet, deren Impedanz zwischen 4 und 8 Ohm liegt; die Ausgangsanschlüsse geben 4, 6 und 8 Ohm vor.
Unbeschreiblicher Klang
Selbst elektrisch gutmütige Elektrostaten wie die großen Modelle von Martin Logan funktionieren ganz wunderbar, und damit ist das Stichwort gefallen: Die Art, wie das Performance-Modell die Musik in den Raum projiziert, ist ganz unnachahmlich und in der üblichen, auf Einzelphänomene wie Höhenbrillanz, Baßkraft oder Dynamik abhebenden Terminologie gar nicht zu beschreiben. Die Wiedergabe kommt einem ganzheitlichen Erlebnis von Schönheit gleich, am ehesten zu benennen mit außergewöhnlicher Luftigkeit und Transparenz. Im Surround-Zeitalter neigt man ja dazu, wirkliche Räumlichkeit der akustischen Abbildung vor allem von der Mehrkanal-Technik zu erwarten. Um so überraschender mutet es an, wenn ein Verstärker dieser Klasse enthüllt, wieviel Rauminformationen in ganz normalen Stereo-Produktionen stecken: Der Unison legt sie mit einer Selbstverständlichkeit frei, die zugleich verblüfft und berührt. Das allein lohnt die Beschäftigung mit dem eindrucksvollen Italiener; daß er nebenbei auch noch als ein Objekt der bildenden Kunst durchgeht, macht ihn doppelt attraktiv.
Text: F.A.Z., 09.08.2005, Nr. 183 / Seite T2
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Der link überzeugt mich nicht!
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