Hörbericht aus "DAS OHR" Nr. 33 *
Autor: Götz Wilimzig
Erlesenes aus dem Musterländle
Tessendorf Monoendstufe TE12
In Stuttgart ist branchenbekannte Presse zuhause. In Stuttgart ist High Fidelity zuhause. Dafür sorgt die nicht so bekannte Firma Tessendorf. Sie fertigt Elektronik mit schwäbischem Anspruch. Wohlüberlegt, gründlich erprobt, erstklassig aufgebaut.
Für den Musikliebhaber...
ist die Sache ganz einfach. TE 12 in die Anlage gestöpselt, und den ganzen HIFi-Schotter vergessen. Warurn denn nicht gleich so. Nach langfristigem Hören setzt sich Selbstverständlichkeit in den Gehirnwindungen fest: so kann es sein, so soll es sein, bitte nie wieder weniger. Den Berichterstatter freilich stellen die schwarzen Blöcke vor ein Problem. Wie soll man es in Worte kleiden, wenn die Elektronik dem Ideal einer transistorisierten Endstufe so nahe kommt wie selten? Die Tessendorf Monos habe ich während eines Jahres immer wieder gehört, in ich weiss nicht mehr wie vielen Anlagenkonfigurationen. Im Laufe dieser überlangen Erprobungszeit hat sich ein blindes Vertrauen in die Fähigkeiten des Gerätes herausgebildet. Wenn sich ein Schallwandler von den TE 12 nicht antreiben lassen sollte, dann hat der Wandler eine gravierende Macke - mindestens eine. Normalerweise kann man einer Leistungsendstufe Fürchten beibringen, sofern man sie mit einem höchstempfindlichen Lautsprecher zusammenspannt, also eine an sich unsinnige Kombination vornimmt. Die Tessendorf meistert solche Extremfälle mit Bravour. Sie ist bei extrem kleinen Pegeln genauso ,,da" wie bei sehr grosser Leistungsabgabe. In beiden Fällen setzt sie Minimalinformationen mühelos um. Wenn man selbst erlebt hat, wie selten sich so etwas ereignet, kann man nur staunen. Der praktische Alltagsbetrieb gestaltet sich so problemlos, wie es nur zu wünschen ist. Die Ansteuerung kann wahlweise via Cinch wie üblich oder symmetrisch via dreipoligem Cannon vorgenommen werden. Ein Stummschalter erlaubt einfachstes Umstöpseln. WBT-Lautsprecherklemmen geben einen bombenfesten Anschluss der Kabel. Beim gleichzeitigen Einschalten beider Blöcke kann, aber muss nicht, die Sicherung fliegen. Das ist bei Hochleistungsendstufen nicht ungewöhnlich; wer hat schon Dreissig-Amper-Sicherungen in seiner Hausleitung? Die Tessendorf läuft bis zu zehn Watt in Class-A, sie muss warm sein; eine halbe Stunde Vorglühen - wenn's um den Genuss geht und nicht um die schnellen Nachrichten -ist das Minimum; zwei Stunden ist besser; sechse noch besser. Die Stromrechnung ist der einzige, aber verzeihlich Wermutstropfen dieses Leistungsriesen. In Sachen Wattzahl werden Tessendorfs ,,schwarze" nachdenklich stimmen. Ich habe andere Monoblöcke gehört, die nominal doppelt soviel anboten. Auf dem Papier. In der Praxis, wenn die Ohren zählen, war die TE 12 kraftvoller, definierter, schwärzer, nuancierter.
Eindrucksvoll
Setzte sich ein Audiophiler hin, Notizblock vor sich, um dieses Gerät zu erfassen, geschähe etwas Merkwürdiges. Je mehr Erfahrung mit anderen Endstufen einer hätte, desto voller würden seine Blätter. Alle Notizen hätten denselben Tenor: Hier macht sie diesen Fehler nicht, dort kann sie jenes richtiger. Nach geraumer Zeit fiele auf - so ging es auch mir -, dass überhaupt keine Betrachtungen notiert wurden, die eine ,,Tessendorf an sich" zeigen. Es gibt nichts, was auffällig wäre. Die üblichen Begriffe, wie Räumlichkeit, Ausgewogenheit, Dynamik und so fort, werden derart übererfüllt, dass es absurd wäre, davon zu sprechen. So lassen sich diese Monoblöcke nicht beschreiben. Schliesslich bleibt der Bleistift liegen, selbst der kritischste Beobachter will nur noch geniessen. Die TE 12 ist bei mir an sehr unterschiedlichen Lautsprechern gelaufen, am längsten an den Modellen Spendor 15/1 Professional, YBA Sonata, die als passives Arbeitspferd Dienst tut und trotz ihrer Grösse äusserst aussagefähig ist, Thiel GB 1.2 und, als letztes, Apogee Stage. Im Blindtest wäre man geneigt zu glauben, dass bei den beiden Erstgenannten erheblich grössere Chassis arbeiteten. Unterschiede der dynamischen Konstruktionen, die im Mikrobereich liegen, werden mit müheloser Deutlichkeit aufgedeckt. Beispielsweise folgender: die YBA (13 cm Chassis, geschlossenes Gehäuse) hat untenrum nicht den Druck einer Thiel (17 cm Chassis, Reflexgehäuse), bietet jedoch mehr an Farbigkeit und Differenzierung in diesem Bereich. Mit derartigen Beobachtungen liessen sich Seite um Seite erfüllen. Diese Eindrücke summieren sich zu einem Bild: Wenn es eine universelle Endstufe von höchstem Anspruch gibt, dann diese. Gleichgültig, ob der Schallwandler minimale oder maximale Leistungsabgabe verlangt, ob er klassisch dynamisch oder sonstwie arbeitet, gleichgültig sogar, ob die Endstufe von einer Line-Vorstufe oder nur von einer pegelgeregelten RIAA angesteürt wird - auf diesen grossen Bruder kann man sich verlassen.
Innere Ruhe
Zu den Qualitäten, die umso eindringlicher werden, je länger man erprobt und je mehr die Bedingungen wechseln, muss die niemals aufdringliche, keinerlei Nervosität verbreitende, ruhige Wiedergabe gerechnet werden. Das heisst nun nicht, dass schrille oder knallige Musik irgendwie geglättet oder verrundet würde. Das Gegenteil ist der Fall. Die Differenzen zwischen schrill und sanft, hektisch und gelassen, hellem oder dunklem Nachhall wirken vergrössert. üblicherweise ist unsereiner schon froh, wenn ein Verstärker überhaupt jenes für grosse Räume tvpische Verklingen eines einzelnen Tones nachzeichnet. Die Hallcharakteristik, im Pegel unterhalb des angespielten Tones beginnend und nach unendlich leise abfallend, stellt jede Endstufe vor Probleme. Da gibt es, so wage ich zu behaupten, gerade auch für den Nicht-Kassik-Hörer noch manches zu entdecken. Zum Beispiel: Fairground Attraction, ay fond kiss, erste Seite, erstes Stück. Die Stimme von Eddi Reader hat einen nicht unbeträchtlichen Hallanteil, der sich in der Mitte nach hinten ausbreitet, in der Tiefe reflektiert wird, wobei die höheren Frequenzen überwiegend verschluckt werden, die tieferen ausgehend von der Reflexion sich zu den Seiten hin ausbreiten und die mittleren Lagen ziemlich direkt in Richtung zurückgeworfen werden. Es interessiert bei einer solchen Platte kaum, ob das nun rein künstlich ,,gemacht", die natürliche Raumcharakteristik des Chipping Norton Studios in Oxfordshire oder eine nicht näher bestimmbare Mischung aus beidem ist. Die Stimme von Eddi Reader ist mit all dem verbunden, wir wollen es erfahren und geniessen. Viel zu oft tönt es in der Wiedergabe so, als ob alles grosse Räume und alle grossen Räume Kirchen wären. Die TE 12 brechen solche (falsche) Uniformität auf, zeichnen so detailliert und unterschiedlich, dass es im ersten Moment verblüffen wird. Ruhige Überlegung kann freilich nichts anderes vermuten lassen, als dass es zwischen der Paul-Gerhardt-Kirche in Leipzig (beispielhaft eingefangen auf Eterna 827 155-156; Carl Orff: Die Kluge) und der wahrscheinlich in bayerischen Studios produzierten Fledermaus (Johann Strauss, dirigiert von Carlos Kleiber, DG 2530 693 - die Deutsche Grammophon verschweigt wie allzu oft Angaben zum Aufnahmeort) Unterschiede geben muss. Die Paul-Gerhardt-Kirche bietet den Nachhall, den wir mit solchen Örtlichkeiten verbinden; einen soliden Anteil Seitenwandreflexion, im Hochton lebhafte Flatterechos aus den Gewölbebogen, insgesamt schmeckt man die ,,hohe Luft". Anders die bayerische Produktion. In den hohen Frequenzen ist eine Dämpfung, wie sie für professionelle Räume nicht untypisch ist, verbunden mit einem zum Grundton hin steigenden Hallanteil, der den grossen Raum ,,atmen" lässt. Das Orchester separat und übertrocken aufgenommen und in die Bühne eingeblendet; kleine, aber feine Details; der Bühnenraum hat eine Kulissenwand und dahinter die Rückwand, in diesem Zwischenraum singt einer (Beginn der Gefängnisszene), das Türenschlagen lässt die Kulisse geräuschvoll flattern- all das bringt die TE. Und wie leicht und selbstverständlich es herauszuhören ist! Lassen wir die Deutsche Grammophon nur schweigen, die Tessendorfs sagen uns -selbstverständlich in einer geeigneten Kette (siehe dazu auch den Bericht über die Stage) -, was immer wir wissen wollen. Diese Souveränität begeistert.
Alles im Lot
Lebt man mit einem Verstärker intensiv zusammen, so bildet sich, bewusst oder unbewusst, ein Eindruck davon aus, wo die Wiedergabe ihren Schwerpunkt hat. Oft geschieht das rasch und ist nicht mehr als eine Addition der auffälligsten Fehler. Als da sind: Die Endstufe hat zu wenig Höhen, folglich einen zu tiefen Schwerpunkt; bei ausgewogenen Höhen ist der Grundton zu aufgebläht, also rutscht der Schwerpunkt dorthin; die Bässe fehlen, also wandert er nach oben. Sogar bei grundsätzlich ausgewogenem Frequenzspektrum können die Wiedergabeeigenschaften an einer Stelle ohrenfällig abweichen, ins Gute oder Schlechte; zwangsläufig fällt dorthin die Aufmerksamkeit, ergo der Schwerpunkt. Aber all das trifft hier nicht zu. Man empfindet ,,leicht" und ,,schwer" auch bei gelungenen und in sich ausgewogenen Geräten. Was nichts anderes bedeutet als eine Aussage darüber, wo der Dreh- und Angelpunkt liegt. Beispielsweise wird eine Spender 75/1 schwerer als eine 15/1, oder eine Omtec CA 25 leichter als eine CA 60 eingeordnet. Wiederum stellt die TE 12 den Betrachter vor eine Schwierigkeit. Nach fast einem Jahr wirkt die Endstufe auf mich nicht anders als gerade richtig. In Relation zu vielen anderen muss ich rückblickend deren Fahigkeiten im Grundton als zu gering gewichten oder der Tessendorf zubilligen. dass dies der Bereich ist, aus dem heraus sie ihre Richtigkeit gewinnt. Von hier aus baut sich die kangliche Reproduktion auf, und dieses Fundament steht wie ein Felsen. Der Zen-Buddhismus nennt diesen Zustand Hara; dann befindet sich alles stimmig im Schwerpunkt, und Kraft und Ruhe fallen zusammen. Genauso isses. Nur dass es sich hierzulande eben um schwäbische Solidität handelt und um nichts anderes. Und die ist uns ja aus hififremden Branchen wohlbekannt.
Zahlen und Werte
Eine TE 12 leistet über hundert Watt an acht Ohm und an die vierhundert an einem. Und da von nicht nichts kommt, ist der Aufbau entsprechend. Das fingt beim Netzfilter (serienmässig!) an und hört heim Reinsilberdraht (7 mal 1 mm²) zu den WBT-Klemmen nicht auf; im Signalweg sowie im Netzteil werkeln als Kondensatoren Wonder-Caps, die restlichen sind MKP-Typen. Und so weiter. Kein Wunder, dass noch die äussere Gestalt von Seriosität und Liebe zum Detail bis hin zu den Schraubköpfen geprägt ist. Ohne irgendwelchen Mätzchen. Angesichts der Summe von klanglichen und technischen Qualitäten muss der Preis äusserst angenehm überraschen. Oder ist es schon wieder ein Manko, soviel für sowenig zu bieten? Vielleicht sollte man die Firma Tessendorf dazu bewegen, die Aussenbleche vergolden, den Preis verdoppeln zu lassen und das unter dem Motto ,,Goldstück aus Stuttgart' anzubieten. Es soll Mitmenschen geben, die ans Erstklassige erst dann glauben, wenn der Preis in den Wolken schwebt. So gesehen hätte Mercedes immer mit den Rolls-Royce-Preisen konkurrieren müssen. Aber so handelt man im Musterländle nicht. All jenen, die ihre High-End Leidenschaft damit begonnen haben, von der ML-2 zu schwärmen, und die heute nach einem würdigen Objekt ihrer Verehrung Ausschau halten, ist dringend zu empfehlen, einmal bei Tessendorf Mass zu nehmen. Die TE 12 ist bemerkenswert. Sie setzt einen Standard.
- GW
Autor: Götz Wilimzig
Erlesenes aus dem Musterländle
Tessendorf Monoendstufe TE12
In Stuttgart ist branchenbekannte Presse zuhause. In Stuttgart ist High Fidelity zuhause. Dafür sorgt die nicht so bekannte Firma Tessendorf. Sie fertigt Elektronik mit schwäbischem Anspruch. Wohlüberlegt, gründlich erprobt, erstklassig aufgebaut.
Für den Musikliebhaber...
ist die Sache ganz einfach. TE 12 in die Anlage gestöpselt, und den ganzen HIFi-Schotter vergessen. Warurn denn nicht gleich so. Nach langfristigem Hören setzt sich Selbstverständlichkeit in den Gehirnwindungen fest: so kann es sein, so soll es sein, bitte nie wieder weniger. Den Berichterstatter freilich stellen die schwarzen Blöcke vor ein Problem. Wie soll man es in Worte kleiden, wenn die Elektronik dem Ideal einer transistorisierten Endstufe so nahe kommt wie selten? Die Tessendorf Monos habe ich während eines Jahres immer wieder gehört, in ich weiss nicht mehr wie vielen Anlagenkonfigurationen. Im Laufe dieser überlangen Erprobungszeit hat sich ein blindes Vertrauen in die Fähigkeiten des Gerätes herausgebildet. Wenn sich ein Schallwandler von den TE 12 nicht antreiben lassen sollte, dann hat der Wandler eine gravierende Macke - mindestens eine. Normalerweise kann man einer Leistungsendstufe Fürchten beibringen, sofern man sie mit einem höchstempfindlichen Lautsprecher zusammenspannt, also eine an sich unsinnige Kombination vornimmt. Die Tessendorf meistert solche Extremfälle mit Bravour. Sie ist bei extrem kleinen Pegeln genauso ,,da" wie bei sehr grosser Leistungsabgabe. In beiden Fällen setzt sie Minimalinformationen mühelos um. Wenn man selbst erlebt hat, wie selten sich so etwas ereignet, kann man nur staunen. Der praktische Alltagsbetrieb gestaltet sich so problemlos, wie es nur zu wünschen ist. Die Ansteuerung kann wahlweise via Cinch wie üblich oder symmetrisch via dreipoligem Cannon vorgenommen werden. Ein Stummschalter erlaubt einfachstes Umstöpseln. WBT-Lautsprecherklemmen geben einen bombenfesten Anschluss der Kabel. Beim gleichzeitigen Einschalten beider Blöcke kann, aber muss nicht, die Sicherung fliegen. Das ist bei Hochleistungsendstufen nicht ungewöhnlich; wer hat schon Dreissig-Amper-Sicherungen in seiner Hausleitung? Die Tessendorf läuft bis zu zehn Watt in Class-A, sie muss warm sein; eine halbe Stunde Vorglühen - wenn's um den Genuss geht und nicht um die schnellen Nachrichten -ist das Minimum; zwei Stunden ist besser; sechse noch besser. Die Stromrechnung ist der einzige, aber verzeihlich Wermutstropfen dieses Leistungsriesen. In Sachen Wattzahl werden Tessendorfs ,,schwarze" nachdenklich stimmen. Ich habe andere Monoblöcke gehört, die nominal doppelt soviel anboten. Auf dem Papier. In der Praxis, wenn die Ohren zählen, war die TE 12 kraftvoller, definierter, schwärzer, nuancierter.
Eindrucksvoll
Setzte sich ein Audiophiler hin, Notizblock vor sich, um dieses Gerät zu erfassen, geschähe etwas Merkwürdiges. Je mehr Erfahrung mit anderen Endstufen einer hätte, desto voller würden seine Blätter. Alle Notizen hätten denselben Tenor: Hier macht sie diesen Fehler nicht, dort kann sie jenes richtiger. Nach geraumer Zeit fiele auf - so ging es auch mir -, dass überhaupt keine Betrachtungen notiert wurden, die eine ,,Tessendorf an sich" zeigen. Es gibt nichts, was auffällig wäre. Die üblichen Begriffe, wie Räumlichkeit, Ausgewogenheit, Dynamik und so fort, werden derart übererfüllt, dass es absurd wäre, davon zu sprechen. So lassen sich diese Monoblöcke nicht beschreiben. Schliesslich bleibt der Bleistift liegen, selbst der kritischste Beobachter will nur noch geniessen. Die TE 12 ist bei mir an sehr unterschiedlichen Lautsprechern gelaufen, am längsten an den Modellen Spendor 15/1 Professional, YBA Sonata, die als passives Arbeitspferd Dienst tut und trotz ihrer Grösse äusserst aussagefähig ist, Thiel GB 1.2 und, als letztes, Apogee Stage. Im Blindtest wäre man geneigt zu glauben, dass bei den beiden Erstgenannten erheblich grössere Chassis arbeiteten. Unterschiede der dynamischen Konstruktionen, die im Mikrobereich liegen, werden mit müheloser Deutlichkeit aufgedeckt. Beispielsweise folgender: die YBA (13 cm Chassis, geschlossenes Gehäuse) hat untenrum nicht den Druck einer Thiel (17 cm Chassis, Reflexgehäuse), bietet jedoch mehr an Farbigkeit und Differenzierung in diesem Bereich. Mit derartigen Beobachtungen liessen sich Seite um Seite erfüllen. Diese Eindrücke summieren sich zu einem Bild: Wenn es eine universelle Endstufe von höchstem Anspruch gibt, dann diese. Gleichgültig, ob der Schallwandler minimale oder maximale Leistungsabgabe verlangt, ob er klassisch dynamisch oder sonstwie arbeitet, gleichgültig sogar, ob die Endstufe von einer Line-Vorstufe oder nur von einer pegelgeregelten RIAA angesteürt wird - auf diesen grossen Bruder kann man sich verlassen.
Innere Ruhe
Zu den Qualitäten, die umso eindringlicher werden, je länger man erprobt und je mehr die Bedingungen wechseln, muss die niemals aufdringliche, keinerlei Nervosität verbreitende, ruhige Wiedergabe gerechnet werden. Das heisst nun nicht, dass schrille oder knallige Musik irgendwie geglättet oder verrundet würde. Das Gegenteil ist der Fall. Die Differenzen zwischen schrill und sanft, hektisch und gelassen, hellem oder dunklem Nachhall wirken vergrössert. üblicherweise ist unsereiner schon froh, wenn ein Verstärker überhaupt jenes für grosse Räume tvpische Verklingen eines einzelnen Tones nachzeichnet. Die Hallcharakteristik, im Pegel unterhalb des angespielten Tones beginnend und nach unendlich leise abfallend, stellt jede Endstufe vor Probleme. Da gibt es, so wage ich zu behaupten, gerade auch für den Nicht-Kassik-Hörer noch manches zu entdecken. Zum Beispiel: Fairground Attraction, ay fond kiss, erste Seite, erstes Stück. Die Stimme von Eddi Reader hat einen nicht unbeträchtlichen Hallanteil, der sich in der Mitte nach hinten ausbreitet, in der Tiefe reflektiert wird, wobei die höheren Frequenzen überwiegend verschluckt werden, die tieferen ausgehend von der Reflexion sich zu den Seiten hin ausbreiten und die mittleren Lagen ziemlich direkt in Richtung zurückgeworfen werden. Es interessiert bei einer solchen Platte kaum, ob das nun rein künstlich ,,gemacht", die natürliche Raumcharakteristik des Chipping Norton Studios in Oxfordshire oder eine nicht näher bestimmbare Mischung aus beidem ist. Die Stimme von Eddi Reader ist mit all dem verbunden, wir wollen es erfahren und geniessen. Viel zu oft tönt es in der Wiedergabe so, als ob alles grosse Räume und alle grossen Räume Kirchen wären. Die TE 12 brechen solche (falsche) Uniformität auf, zeichnen so detailliert und unterschiedlich, dass es im ersten Moment verblüffen wird. Ruhige Überlegung kann freilich nichts anderes vermuten lassen, als dass es zwischen der Paul-Gerhardt-Kirche in Leipzig (beispielhaft eingefangen auf Eterna 827 155-156; Carl Orff: Die Kluge) und der wahrscheinlich in bayerischen Studios produzierten Fledermaus (Johann Strauss, dirigiert von Carlos Kleiber, DG 2530 693 - die Deutsche Grammophon verschweigt wie allzu oft Angaben zum Aufnahmeort) Unterschiede geben muss. Die Paul-Gerhardt-Kirche bietet den Nachhall, den wir mit solchen Örtlichkeiten verbinden; einen soliden Anteil Seitenwandreflexion, im Hochton lebhafte Flatterechos aus den Gewölbebogen, insgesamt schmeckt man die ,,hohe Luft". Anders die bayerische Produktion. In den hohen Frequenzen ist eine Dämpfung, wie sie für professionelle Räume nicht untypisch ist, verbunden mit einem zum Grundton hin steigenden Hallanteil, der den grossen Raum ,,atmen" lässt. Das Orchester separat und übertrocken aufgenommen und in die Bühne eingeblendet; kleine, aber feine Details; der Bühnenraum hat eine Kulissenwand und dahinter die Rückwand, in diesem Zwischenraum singt einer (Beginn der Gefängnisszene), das Türenschlagen lässt die Kulisse geräuschvoll flattern- all das bringt die TE. Und wie leicht und selbstverständlich es herauszuhören ist! Lassen wir die Deutsche Grammophon nur schweigen, die Tessendorfs sagen uns -selbstverständlich in einer geeigneten Kette (siehe dazu auch den Bericht über die Stage) -, was immer wir wissen wollen. Diese Souveränität begeistert.
Alles im Lot
Lebt man mit einem Verstärker intensiv zusammen, so bildet sich, bewusst oder unbewusst, ein Eindruck davon aus, wo die Wiedergabe ihren Schwerpunkt hat. Oft geschieht das rasch und ist nicht mehr als eine Addition der auffälligsten Fehler. Als da sind: Die Endstufe hat zu wenig Höhen, folglich einen zu tiefen Schwerpunkt; bei ausgewogenen Höhen ist der Grundton zu aufgebläht, also rutscht der Schwerpunkt dorthin; die Bässe fehlen, also wandert er nach oben. Sogar bei grundsätzlich ausgewogenem Frequenzspektrum können die Wiedergabeeigenschaften an einer Stelle ohrenfällig abweichen, ins Gute oder Schlechte; zwangsläufig fällt dorthin die Aufmerksamkeit, ergo der Schwerpunkt. Aber all das trifft hier nicht zu. Man empfindet ,,leicht" und ,,schwer" auch bei gelungenen und in sich ausgewogenen Geräten. Was nichts anderes bedeutet als eine Aussage darüber, wo der Dreh- und Angelpunkt liegt. Beispielsweise wird eine Spender 75/1 schwerer als eine 15/1, oder eine Omtec CA 25 leichter als eine CA 60 eingeordnet. Wiederum stellt die TE 12 den Betrachter vor eine Schwierigkeit. Nach fast einem Jahr wirkt die Endstufe auf mich nicht anders als gerade richtig. In Relation zu vielen anderen muss ich rückblickend deren Fahigkeiten im Grundton als zu gering gewichten oder der Tessendorf zubilligen. dass dies der Bereich ist, aus dem heraus sie ihre Richtigkeit gewinnt. Von hier aus baut sich die kangliche Reproduktion auf, und dieses Fundament steht wie ein Felsen. Der Zen-Buddhismus nennt diesen Zustand Hara; dann befindet sich alles stimmig im Schwerpunkt, und Kraft und Ruhe fallen zusammen. Genauso isses. Nur dass es sich hierzulande eben um schwäbische Solidität handelt und um nichts anderes. Und die ist uns ja aus hififremden Branchen wohlbekannt.
Zahlen und Werte
Eine TE 12 leistet über hundert Watt an acht Ohm und an die vierhundert an einem. Und da von nicht nichts kommt, ist der Aufbau entsprechend. Das fingt beim Netzfilter (serienmässig!) an und hört heim Reinsilberdraht (7 mal 1 mm²) zu den WBT-Klemmen nicht auf; im Signalweg sowie im Netzteil werkeln als Kondensatoren Wonder-Caps, die restlichen sind MKP-Typen. Und so weiter. Kein Wunder, dass noch die äussere Gestalt von Seriosität und Liebe zum Detail bis hin zu den Schraubköpfen geprägt ist. Ohne irgendwelchen Mätzchen. Angesichts der Summe von klanglichen und technischen Qualitäten muss der Preis äusserst angenehm überraschen. Oder ist es schon wieder ein Manko, soviel für sowenig zu bieten? Vielleicht sollte man die Firma Tessendorf dazu bewegen, die Aussenbleche vergolden, den Preis verdoppeln zu lassen und das unter dem Motto ,,Goldstück aus Stuttgart' anzubieten. Es soll Mitmenschen geben, die ans Erstklassige erst dann glauben, wenn der Preis in den Wolken schwebt. So gesehen hätte Mercedes immer mit den Rolls-Royce-Preisen konkurrieren müssen. Aber so handelt man im Musterländle nicht. All jenen, die ihre High-End Leidenschaft damit begonnen haben, von der ML-2 zu schwärmen, und die heute nach einem würdigen Objekt ihrer Verehrung Ausschau halten, ist dringend zu empfehlen, einmal bei Tessendorf Mass zu nehmen. Die TE 12 ist bemerkenswert. Sie setzt einen Standard.
- GW
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